In der gespielten Lesung nach dem dänischen Kultautor Arne Nielsen liefern sich die aus Film, Fernsehen und Theater bekannten Schauspielerinnen Karoline Eichhorn und Catrin Striebeck Gespräche voller Liebe und Feindseligkeit wie es nur Geschwister kennen und können.
Nach der Beerdigung ihres Vaters treffen sich die Schwestern Edda und Freya in ihrem Elternhaus am Bodensee. Grund ist der Nachlass ihres Vaters, denn alles außer der Villa hat er einer AFD-nahen Stiftung vermacht. Nicht lange und die beiden Schwestern streiten über Politik und Religion. Und, da sie ihren Kummer mit einigen Gläsern Wodka wegspülen, auch schnell über Kindheit, Liebe, Familie und Verlust.
Stücklänge: 2 Std., keine Pause
Foto: Joachim Flicker
Interview mit Karoline Eichhorn über ihre „Vodkagespräche“

v. li.: Arne Nielsen, Catrin Striebeck, Karoline Eichhorn, Jonas Landerschier Foto: Christian Schoppe
Sie sind mit „Die Vodkagespräche“ wieder in den Hamburger Kammerspielen zu Gast. Warum sollten sich die Zuschauer die neue Chance auf das Stück auf keinen Fall entgehen lassen?
Zuschauer, die das Stück schon öfter gesehen haben, finden den Abend nie gleich. Wir spielen jedes Mal ein bisschen anders, auch ist das Publikum jedes Mal in einer anderen Tagesform. Wer es zum ersten Mal sieht, wird vermutlich das Theater mit dem Gedanken verlassen, dass es durchaus von Vorteil es sein kann, nichts zu erben. Außerdem erlebt man einen leidenschaftlichen Diskurs über Herkunft, Religion und Freiheit und wird vielleicht erleichtert feststellen, dass es ganz gut sein kann, nicht Papas Liebling (gewesen) zu sein. Im besten Fall lacht man laut auf über ein Wortungetüm wie „Verfügungsunterlassungsvermächtnis“.
Der Stoff des Stücks ist wirklich genial gewählt. Was war der Anlass?
Am Anfang standen die Worte Mami und Papi. Wenn man über Jahre Erwachsene immer wieder so reden hört, wird man misstrauisch und fragt sich, ob diese Personen ihre Eltern wirklich lieben oder ob andere Dinge dahinterstecken. Und im Zuge unserer – sagen wir Mal „soziologischen“ – Suche, konnten wir feststellen, dass bei Erwachsenen, die unentwegt von Mami und Papi sprechen, oft eine größere Erbschaft im Raum steht. Darauf angesprochen haben die nicht selten gereizt reagiert, und, um nicht berechnend zu wirken, auf ihren Altruismus und ihre Unabhängigkeit gepocht. Nach einem solchen diskursiven Reinigungsfuror haben wir dann gedacht, dem müsste man eigentlich nur ein paar Promille Alkohol beimischen und der explosive Cocktail aus subjektiven und objektiven Wahrheiten wäre fertig.
Was verbindet, was trennt die Schwestern?
Im sozialen Gefüge zwischen Geschwistern gibt es Determinierungen, aus denen herauszuwachsen schwierig ist. Auch im Falle von Edda und Freya stehen die unterschiedlichen Lebensentwürfe sich wie gegenseitige gegenüber: „Ich bin in die große Welt gezogen und du hockst noch zu Hause.“ Das sind vertraute Narrative. Da versucht die eine ‚freiheitsliebende‘ Schwester ihren Nonkonformismus unter Beweis zu stellen, während die andere in ihrer selbstgewählten Bürgerlichkeit erstaunlich gut gedeiht. Sie sollten in dieser Lage nichts trinken, tun es aber. Und so gerät das Gedenken Ihres Vaters zu einer Selbstinszenierung. Sie reden zwar stellvertretend über Rollkoffer oder die modische Aussage der Kombi aus Kurzarmhemd und Fahrradhelm, aber in Wirklichkeit geht es Ihnen um Distinktionsgewinne. Gewiss nicht um die Liebe zum Vater.
Das politische Erbe des Vaters könnte für zusätzlichen Sprengstoff sorgen.
Das ist schwierig zu sagen, da die Schwestern sich leider nicht für sein politisches Vermächtnis interessieren. Schlussendlich reden sie über die eigenen Gewinne und Verluste.
Wie stark zehrt es an Ihren emotionalen Ressourcen als Schauspielerin, eine Betrunkene zu spielen?
Es zehrt nicht, es beflügelt.
Was leisten die komischen Elemente für den Ausgang der Geschichte?
Die komischen Momente müssen in unserem Stück nicht die Träger für die ernsten Momente sein. Vielmehr sind die sogenannten ernsten Momente Träger der komischen oder – wie steht es bei Hesse: „Heiterkeit ist weder Tändelei, noch Selbstgefälligkeit. Sie ist höchste Erkenntnis!“
Was meinen Sie, sagen Betrunkene immer die Wahrheit?
Ja, das Gesagte mag nicht stimmen, aber die Emotionen dahinter sicherlich schon.
Hamburg im August 2022
Nüchern betrachtet: Ein sehr komischer, durchaus auch trauriger, alles in allem ziemlich phänomenaler Abend. Hamburger Abendblatt
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