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Geschichte

VON 1863 BIS HEUTE

1863 wurde die herrschaftliche Villa in der Hartungstraße 11 im klassizistischen Stil von Otto Eduard Ferdinand Pfennig, einem Hamburger Kaufmann erbaut. Im Jahre 1903 erwarb die jüdische „Henry-Jones-Loge“ die „Pfenningsche Villa“. Durch Umbauten und eine Erweiterung auf das Nebengrundstück entstand wenig später das „Logenheim“ auf einer Fläche von 1.200 m².

Es gab zwei Festsäle, ein koscheres Restaurant, den Logensaal, eine Bibliothek, Verwaltungs-, Unterrichts- und Begegnungsräume. Jugend- und Sportverbände, eine Sprachenschule sowie verschiedene gemeinnützige Vereine trafen sich dort. Während der Weltwirtschaftskrise wurde das Haus an die Anthroposophische Gesellschaft verkauft, jedoch weiterhin von den jüdischen Vereinen und Logen genutzt. Ende 1935 wurde die Anthroposophische Gesellschaft von den Nationalsozialisten aufgelöst und das Haus versiegelt.

1937 wurde das Grundstück Hartungstraße 9-11 auf Anordnung der Gestapo zum Kauf freigegeben. Die „Jüdische Gemeinschaftshaus GmbH“ erwarb das Haus und ließ es umgestalten. Der ehemals wichtigste Raum, der Logentempel, wurde in einen Vortragsraum verwandelt; der Mittelpunkt des Hauses befand sich nun im ersten Stock: ein Theater mit rund 450 Plätzen. Die 6 Meter breite und 8 Meter tiefe Bühne war von einem Silberrahmen umspannt und mündete in einen gemauerten Kuppelhorizont. Mit einem kompletten Schnürboden, einer fahrbaren Brücke und einer Beleuchtungsanlage war die Technik mit dem Wesentlichen ausgestattet.

Am Sonntag, dem 9. Januar 1938 wurde das Gebäude mit einer Aufführung von „Romeo und Julia“ seiner Bestimmung übergeben: Es sollte als Jüdisches Gemeinschaftshaus Treffpunkt für alle noch in Hamburg lebenden Juden werden. Zum ersten Mal seit seinem Einzug in das Gemeinschaftshaus spielte das Ensemble des Jüdischen Kulturbundes Hamburg.

Am 11. September 1941 wurde der Jüdische Kulturbund in Deutschland durch die Geheime Staatspolizei liquidiert. Das Haus in der Hartungstraße diente wenige Wochen später als Proviant- und Versorgungsstelle für die jetzt einsetzenden Deportationen. Am 11. Juli 1942 wurde es selbst Sammelstätte für einen der Hamburger Transporte nach Auschwitz.

Im Juli 1943 wurde das Zuschauerhaus der Hamburgischen Staatsoper bei Bombenangriffen zerstört. Zum Ausweichquartier bestimmten die Behörden das Thalia Theater, das sich nun seinerseits nach einer anderen Spielstätte umsah. Die „Thalia-Kammerspiele“, Hartungstraße, eröffneten am 8. Oktober 1943. Neun Monate später wurden sie infolge der totalen Mobilisierung wieder geschlossen. Ab 10. Dezember 1944 zeigten die „Ufa-Kammerspiele“ deutsche Spielfilme im Theatersaal. Die letzte Kino-Vorstellung fand am 1. April 1945 statt; am 10.Mai wurde das Haus von der britischen Militärregierung beschlagnahmt. Der Army Welfare Service richtete dort ein Kabarett ein, das „Savoy“.

 

IDA EHRES „HAMBURGER KAMMERSPIELE“

Am 25. Juli 1945 wandte sich die Hamburger Kulturverwaltung an die Britische Militärkommendantur mit der Bitte, das Haus in der Hartungstraße, das einzige nicht zerstörte Hamburger Theater, für „Kammerspiele“ freizugeben. 31 Verantwortlich für diesen Vorstoß war eine jüdische Schauspielerin, die, maßgeblich unterstützt von dem britischen Theateroffizier John Olden, nach einer eigenen Spielstätte Ausschau hielt, um dort „menschliche Probleme und Probleme der Welt“ zu Wort kommen zu lassen, „von denen wir 12 Jahre lang nichts wissen durften.“ Ihre Pläne beeindruckten die Engländer. Sie überließen ihr die Bühne, und da sie selbst nicht über die erforderlichen Mittel verfügte, das Haus zu erwerben, wurde sie zunächst Pächterin der „Jüdischen Gemeinschaftshaus GmbH“, später der Freien und Hansestadt Hamburg.

Die Schauspielerin und künftige Prinzipalin der „Hamburger Kammerspiele“ hieß Ida Ehre. Die Hansestadt war 1939 gezwungenermaßen ihr Domizil geworden, als der Kriegsausbruch die geplante Emigration vereitelte und das Auswandererschiff in den nächsten deutschen Hafen einlaufen musste. Ida Ehres Mutter wurde in Theresienstadt ermordet; sie selbst, seit 1928 mit dem Arzt Bernhard Heyde verheiratet, überlebte die Haft im KZ Fuhlsbüttel.

Bereits am 10. Dezember 1945 wurden Ida Ehres „Hamburger Kammerspiele“ mit Robert Ardreys „Leuchtfeuer“ (Regie: Robert Michal, Bühne: Otto Gröllmann) eröffnet. Mit ihrer Stückauswahl, ihrem hochkarätigen Ensemble und ihrer eigenen schauspielerischen Leistung setzte Ida Ehre künstlerische Maßstäbe, die weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus Geltung hatten. Im Zeichen der Versöhnung der Völker definierte sie die Rolle ihres „Theaters der Menschlichkeit“: „Es muss dort wieder anknüpfen, wo die Fäden durch die Zensur oder durch Feindschaften zerrissen worden sind, es muss das Beste aus dem In- und Ausland suchen und zur Aufführung bringen und nur dem einzigen Ziel dienen, dem Ziel aller echten Kunst: die ewigen Wahrheiten zu suchen und ihnen Ausdruck zu verleihen“.

Ein Ereignis von besonderem Rang, eine Legende, kaum dass es stattgefunden hatte, war die Uraufführung von Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ am 21. November 1947. Ida Ehre hatte den todkranken Dichter dazu bewegen können, das zunächst als Hörspiel verfasste Heimkehrerdrama für die Bühne umzuschreiben. In der Inszenierung von Wolfgang Liebeneiner erwies sich Hans Quests Darstellung des „Beckmann“ als eine bis heute unübertroffene künstlerische Leistung.

Mit der Währungsreform 1948 gerieten die Kammerspiele zusehends in finanzielle Nöte. Als Privattheater, ohne Subventionen, konnten sie mit den Gagen der Staatstheater nicht konkurrieren: Schauspieler wanderten ab, das Ensemble wurde schließlich aufgelöst, größte Sparsamkeit war angesagt. Statt Repertoire wurde nun En-Suite gespielt; der Spielplan mit seinen überwiegend „unbequemen“ zeitgenössischen Werken verlangte Auflockerung. Immer seltener war Ida Ehre in der Lage, die Stücke zu zeigen, für die sie das Theater einst eröffnet hatte.

„300 Vorstellungen pro Jahr, mal 35 Jahre“, so lautete ihre Bilanz 1980, „und versucht, ein Mensch zu bleiben, um den Menschen zu zeigen, dass der Mensch als Möglichkeit gedacht ist“. Ida Ehre starb am 16. Februar 1989 im Alter von 88 Jahren. Einer ihrer engsten Freunde, der Schriftsteller Walter Jens, schrieb in einem Nachruf: „Die Frau, die überlebte und die Bühne, die nach Jahren brutaler Abgeschlossenheit wieder Welt nach Deutschland brachte, Urbanität und Offenheit – beides gehört für die Älteren unter uns, aber nicht nur für sie, untrennbar zusammen“.

 

DIE „HAMBURGER KAMMERSPIELE“ HEUTE

Nach dem Tode Ida Ehres wurde das Haus 1990-1994 mit wechselnden Konzeptionen von Ursula Lingen, Stephan Barbarino und Gerd Schlesselmann geführt.

1995 eröffneten Ulrich Tukur und Ulrich Waller die neue Spielzeit mit einer Neuinszenierung von Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“. Die beiden Theatermacher holten in den folgenden Jahren erfolgreich bekannte Schauspieler und Regisseure an die Hartungstraße.

2002 wurde das Theater durch seinen Eigentümer Jürgen Hunke aufwändig saniert und teilweise umgebaut.

Mit Beginn der Spielzeit 2003/2004 übernahm Axel Schneider die Leitung der Hamburger Kammerspiele. Im ersten Jahr unterstützt von Dietrich Wersich. Von 2004 bis 2017 war Holger Zebu Kluth als Geschäftsführer am Hause tätig. Schnell entwickelten sich die Hamburger Kammerspiele unter dem Leitungsteam Schneider und Kluth erneut zu einem Glanzpunkt und Publikumsmagnet in der Hamburger Theaterlandschaft. Die Bedeutung als Heimat für bewegende Stoffe, herausragende Schauspieler und renommierte Regisseure wird u.a. durch die vielen Auszeichnungen, die die Hamburger Kammerspiele seither errangen, deutlich unterstrichen. Nach dem Ausscheiden von Holger Zebu Kluth zum September 2017 leitet Axel Schneider das Haus als Intendant und Geschäftsführer. 2017 ist Dietrich Wersich ins Unternehmen zurückgekehrt und hat seit 2019 die Geschäftsführung inne.

 

PREISE

Publikumspreis des Norddeutschen Theatertreffens

2005 für die Produktion „Eisen“ von Rona Munro in der Inszenierung von Ulrike Maack mit u.a. Monica Bleibtreu und Louisa Stroux

 

Pegasus Preis für Hamburger Privattheater

2006 und 2007. Würdigung der herausragenden Arbeit des Leitungsduos Axel Schneider und Holger Zebu Kluth

 

Rolf Mares Preis

2006 Nicole Heesters und Barbara Nüsse – für ihre Darstellung in „Vita und Virginia“

2006 Roland Renner und Gerhard Garbers – für ihre Darstellung in „Der Garderobier“

2007 Michael Bogdanov – für seine Inszenierung von „Warten auf Godot“

2008 Markus Boysen – für seine Darstellung in „Blackbird“

2009 Stefan Haschke – für seine Darstellung in „Das Maß der Dinge“

2010 Volker Lechtenbrink – für seine Darstellung in „Frost/Nixon“

2011 Nicki von Tempelhoff – für seine Darstellung in „Enron“

2012 Ingrid Lausund – für ihre Inszenierung von „Zeit – Die erschöpfte Schnecke wirft Haus weg und flippt richtig aus“

2013 Stephan Kampwirth – für seine Darstellung in „Wir lieben und wissen nichts“

2014 Patrick Abozen – für seine Darstellung in „Ziemlich beste Freunde“

2015 Ulrich Bähnk – für seine Darstellung in „Laurel & Hardy“

2016 Robert Stadlober – für seine Darstellung in „Private Peaceful“

2017 Peter Bause – für seine Darstellung in „Place of Birth: Bergen-Belsen“

2023 Teresa Weißbach – für ihre Darstellung in „Hedda Gabler“

 

Neuberin-Preis (INTHEGA – Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen e.V.)

2011 für die Produktion „Frost/Nixon“

 

 

 

Mit Dank an die Theaterwissenschaftlerin Dr. Barbara Müller-Wesemann, deren Aufsatz „Mit der Freude zieht der Schmerz treulich durch die Zeiten – Die jüdische Kulturgeschichte des Hauses Hartungstraße 9-11“ dem obrigen Text zugrunde liegt. Der Aufsatz kann hier als Word Datei herunter geladen werden.

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